AGRU Rohrsystem bekämpft Plastikmüllfeld im Pazifik

Das 600 m lange Ocean Cleanup System wurde am 08. September von San Francisco aus zum Einsatzort in das große pazifische Müllfeld gezogen. (c)The Ocean Cleanup
Das 600 m lange Ocean Cleanup System wurde am 08. September von San Francisco aus zum Einsatzort in das große pazifische Müllfeld gezogen. (c)The Ocean Cleanup

11.09.2018

Plastikmüll gelangt seit Jahrzehnten ins Meer und hat sich in den fünf großen ozeanischen Strömungswirbel angehäuft. Am 08. September startet das Unternehmen „The Ocean Cleanup“, das Technologien zur Reinigung der Meere entwickelt, eine bisher beispiellose Säuberungsaktion. Es wird das weltweit erste System zur Bekämpfung des maritimen Plastikmülls 1.200 nautische Meilen westlich der kalifornischen Bucht im großen pazifischen Plastikmüllfeld platzieren. Das „Rückgrat“ dieser 600 m langen Anlage bildet das AGRU Großrohrsystem, das als Schwimmkörper wie eine künstliche Bucht im Meer agiert, an der sich Plastikmüll anhäufen soll.

Das Plastikproblem in den Meeren ist riesig und wächst täglich weiter: Jährlich landen 8 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen, wobei dieser Trend exponentiell ansteigt. Durch ihre geringe Dichte treiben einige Kunststoffe viele Jahre in Oberflächennähe, bevor sie in den sogenannten „Müllstrudeln“, den fünf Strömungswirbel der Weltmeere, durch Strömungen und das UV-Licht zu Mikroplastik zerrieben werden. Dieses „Mikroplastik“ kann nicht mehr aus dem Wasser entfernt werden und wird von Meerestieren häufig mit der Nahrung aufgenommen. Da Fische das weltweit begehrteste Lebensmittel sind, schließt sich somit der Kreislauf.
 

Künstliche Bucht sammelt Plastik ein

Maritime Plastikmüllfelder entstehen dort, wo unterschiedliche Meeresströmungen zu enormen Strömungswirbel zusammenlaufen. Insgesamt fünf solcher Wasserwirbel gibt es in den Weltmeeren, der größte befindet sich im Nordpazifik, etwa in der Mitte zwischen Hawaii und Kalifornien. In diesen Müllfeldern hat sich das weltweit ins Meer gelangte Plastik der letzten 50 Jahre festgesetzt. Und hier setzt ein holländisches Startup mit einer genialen Idee an. Was wäre, wenn man die Müllfelder mit einer Flotte von autonomen Müllfangsystemen reinigen würde? „The Ocean Cleanup“, gegründet von Bojan Slat, möchte mit einer ausgeklügelten Lösung 90 % des Plastiks bis 2040 aus dem großen pazifischen Plastikmüllfeld holen und wiederverwerten. Dazu macht man sich die Meereskräfte zunutze. Eine ganze Flotte von riesigen, schwimmenden Barrieren soll sich etwas rascher als der Plastikmüll im Wasser fortbewegen und so das Plastik vor sich herschieben und konzentrieren. Aufgrund der U-Form der Barrieren wird sich der Plastikmüll wie am Strand einer Bucht anhäufen und alle 6 – 8 Wochen von Spezialschiffen geborgen und zum Recycling an Land gebracht werden.
 

AGRU Großrohre bilden das Rückgrat der Anlage

Neuesten Erkenntnissen zufolge bedeckt das große pazifische Plastikmüllfeld zwischen Kalifornien und Hawaii eine Fläche so groß wie Alaska, die sich aus 1,8 Billionen Plastikteile zusammensetzt. The Ocean Cleanup installiert nun erstmals eine technische Anlage, um mit der „größten Aufräumaktion der Geschichte“ zu beginnen. Das Rückgrat der Anlage ist ein von der Firma AGRU Kunststofftechnik gemeinsam mit The Ocean Cleanup entwickelter und von AGRU Kunststofftechnik maßgefertigter, 600 m langer Schwimmkörper aus voll druckbeständigen PE 100-RC-Rohren. Zwar kommt bei dieser Anwendung kein Innendruck zustande, die äußeren Belastungen durch den Wellengang, die UV-Strahlung, durch Stürme und das aggressive Salzwasser sind aber enorm und würden jedes andere Material an seine Grenzen bringen. Bei der Auslegung des Schwimmkörpers wurden auch Lastfälle berücksichtigt, die im offenen Ozean nur alle hundert Jahre erwartet werden. Der Schlüssel zur Überlebensfähigkeit des Systems in einer der rauesten Gegenden unseres Planeten heißt Flexibilität. Und Polyethylen verfügt über enorme Flexibilität. Das von AGRU Kunststofftechnik verarbeitete RC-Material gewährleistet aufgrund seiner speziellen Eigenschaften zusätzlich langfristigen Schutz gegen langsames Risswachstum. Um den maximalen Auftrieb auch bei Beschädigungen zu gewährleisten, muss der Schwimmkörper wie ein Schiff in zahlreiche Hohlkammern, sogenannte Schotten, unterteilt werden. AGRU Kunststofftechnik fertigte dafür exakt passende Trennwände und kümmerte sich um deren Verschweißung in den Rohren. 
 

Schwimmende Hightech-Bucht

Ein weiteres wesentliches Merkmal des Systems ist eine bis in drei Meter Tiefe reichende „Schürze", die vom Schwimmkörper abgehängt ist. Zusammen mit dem Schwimmkörper entsteht so eine Barriere über und unter Wasser, sozusagen eine künstliche Bucht im Ozean. Der Schwimmkörper gibt dem kompletten System den notwendigen Auftrieb und fängt den an der Oberfläche treibenden Plastikmüll ein. Die Schürze verhindert, dass tiefer im Wasser schwebende Plastikteile unter dem Schwimmkörper hindurch treiben. Zur sicheren Befestigung der Schürze designte The Ocean Cleanup ein spezielles Schienensystem, das AGRU Kunststofftechnik mit höchster Präzision und speziellem Know-how fertigte. Für diese sogenannte Schwalbenschwanzverbindung wurden PE 100-RC Platten millimetergenau gefräst und mit einer eigens für diese Anwendung entwickelten Schweißmaschine untrennbar an den Schwimmkörper aufgeschweißt. Zur Stabilisierung des Schwimmkörpers lieferte AGRU Kunststofftechnik auch Ballast Pontons aus PE 100-RC Rohren. Das komplette System wurde unter der Anleitung von AGRU Kunststofftechnik Experten in San Francisco einsatzfertig gemacht.

 

Das Ocean Cleanup System verfügt über Solarleuchten, Antikollisionssysteme, Kameras, Sensoren und Satellitenantennen und kommuniziert jederzeit selbstständig seine Position. AGRU Kunststofftechnik – The Plastics Experts – lieferten noch weitere Sonderteile, um die schwimmende Hightech-Bucht einsatzfähig zu machen. So müssen nachts Positionslichter den Schwimmkörper für Schiffe klar erkennbar machen und Satellitenantennen jederzeit die Position des Systems via GPS kommunizieren. Die dafür notwenige Energie wird tagsüber mit Solarpaneelen erzeugt. Für die Masten der Positionslichter, der Satellitenantennen und der Schiffsanlegepoller sind Halterungen notwendig, die AGRU Kunststofftechnik aus mechanisch gefertigten Stutzenschellen „Topload“ realisierte.
 

Geniale Lösung nutzt die Meereskräfte

Das Ocean Cleanup System bewegt sich etwas schneller als das Plastik. Dazu nutzt das System die drei natürlichen Meereskräfte Wind, Wellen und Strömung. Während die Strömung des Wasserwirbels sowohl das Plastik als auch die Barriere mit der gleichen Geschwindigkeit bewegt, bietet der Schwimmkörper genug Angriffsfläche für Wind und Wellen. Das System wird also durch Wind und Wellen „angetrieben“ und bewegt sich im Meer schneller fort, als das knapp unter der Wasseroberfläche treibende Plastik. So kann das Plastik von der schwimmenden, U-förmigen Bucht wie Erde in einer gigantischen Schaufel angehäuft werden. Die U-Form kommt so zu Stande: Die unter Wasser abgehängte Schürze reicht in der Mitte des Schwimmkörpers bis in drei Meter Tiefe, wird aber zu den Rohrenden hin immer kürzer. Da die Strömung in der Mitte des Schwimmkörpers den maximalen Druck ausüben kann, wird der Schwimmkörper von der Strömung in eine U-Form gedrückt. Der von der Schürze erzeugte Widerstand wirkt auch als stabilisierende Kraft, die es dem Ocean Cleanup System ermöglicht, sich neu auszurichten, wenn der Wind dreht. Und weil sowohl die künstliche Bucht wie auch der Kunststoff im Meer treiben, driftet die Bucht automatisch in die Bereiche mit der höchsten Kunststoffkonzentration.

Alle paar Wochen wird ein Schiff den konzentrierten Müll aufnehmen und zu einem Muttermüllschiff transportieren. Dieses soll das Plastik zum Recyceln an Land bringen. Wenn das erste Ocean Cleanup System Erfolg hat, soll Stück für Stück eine komplette Flotte von bis zu 60 Systemen im großen pazifischen Plastikmüllfeld installiert werden. Alle 5 Jahre wird sich dann der auf der Wasseroberfläche treibende Plastikmüll halbieren. Bis 2040 sollen so 90 % des Plastikmülls aus dem großen pazifischen Müllstrudel entfernt sein.


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