Der Weg zur EU-Lieferkettenrichtlinie

Gastbeitrag von Mag. Johannes Wolfgruber MBA, HASCH und PARTNER Rechtsanwälte

Lagerhalle © unsplash/Arno Senoner
Mit der EU-Lieferkettenrichtlinie strebt die EU unionsweit die Verbesserung der Einhaltung von international anerkannten Menschenrechts- und Umweltstandards an © unsplash/Arno Senoner

29.01.2024

Am 14.12.2023 teilte das EU-Parlament in einer Presseaussendung mit, dass sich die Verhandlungsführer des Rates und des EU-Parlamentes auf einen vorläufigen Entwurfstext für ein EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (sog. Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD bzw. EU-Lieferkettenrichtlinie) geeinigt haben. Seither wird auf die Bestätigung dieser Einigung durch das EU-Parlament und den Rat gewartet, wobei dies üblicherweise lediglich als Formalakt anzusehen ist und man daher mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass eine Umsetzung jedenfalls erfolgen wird. Dennoch ist zum aktuellen Zeitpunkt festzuhalten, dass die EU-Lieferkettenrichtlinie noch nicht in Geltung steht.

Mit der EU-Lieferkettenrichtlinie strebt die EU unionsweit die Verbesserung der Einhaltung von international anerkannten Menschenrechts- und Umweltstandards an. Dabei soll die Richtlinie Unternehmen von bestimmten Größen unmittelbar verpflichten, diese Standards entlang ihrer globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten – also auch mittelbar – einzuhalten.

Der Weg zur EU-Lieferkettenrichtlinie war ein langer. Nachdem Frankreich bereits im Jahre 2017 mit dem "Loi de vigilance" und Deutschland im Jahre 2021 mit dem "Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz" nationale Lieferkettengesetze verabschiedet haben, wurden die Stimmen, die innerhalb der Europäischen Union eine einheitliche Lieferkettenregelung forderten, immer lauter. Nach jahrelangen und kontroversen Diskussionen wurde im Februar 2022 ein Richtlinienentwurf der EU-Kommission präsentiert. Es bedurfte sodann beinahe weiterer zwei Jahre und intensiver Diskussionen bis sich das EU-Parlament und der Rat schließlich am 14.12.2023 auf einen gemeinsamen Vorschlag für den Entwurfstext der Lieferkettenrichtlinie einigten.

Der Schutz von Umwelt und Menschenrechten

Die EU-Lieferkettenrichtlinie verpflichtet, ähnlich wie bei den genannten nationalen Gesetzen, große Unternehmen künftig ihre gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette auf Verstöße gegen Menschen- und Umweltrechte zu prüfen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen und darüber zu berichten. Dabei wird die Einhaltung dieser Rechte nicht nur von Unternehmen verlangt, die ihren Sitz in der europäischen Union haben, vielmehr nimmt der Unionsgesetzgeber die Unternehmen in die Pflicht, auch bei Tochterunternehmen oder bei ihren Geschäftspartnern außerhalb der Europäischen Union eine Prüfung vorzunehmen. Daher werden künftig Unternehmen sowohl die vorgelagerte Kette (wie etwa der Rohstoffabbau) als auch die nachgelagerte Kette (wie etwa die Verwendung, Verwertung, Entsorgung, etc.) sehr genau im Blick haben müssen.

Im ursprünglichen Entwurf zur Richtlinie (2022/0051 COD) war allerdings die Verpflichtung der Unternehmen als bloße "Bemühungspflicht" abgeschwächt. Demnach sollten mit dieser Richtlinie Unternehmen nicht dazu verpflichtet werden, unter allen Umständen zu gewährleisten, dass überhaupt keine negativen Auswirkungen auftreten oder dass diese durch ihre Intervention gestoppt werden. Betroffene Unternehmen hätten demnach nur das zu tun, was vor dem Hintergrund der Schwere des Risikos und ihrer individuellen Einflussmöglichkeiten angemessen wäre. Ob diese Passage auch im gemeinsamen Vorschlag vom 14.12.2023 übernommen wurde, wird im Zuge der noch ausstehenden Veröffentlichung des neuen Entwurfstextes zu klären sein.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Der Anwendungsbereich der EU-Lieferkettenrichtlinie wird voraussichtlich folgende Unternehmensgruppen umfassen:

  1. Unternehmen ab 500 Arbeitnehmer:innen und 150 Mio. EUR weltweitem Jahresumsatz.
     
  2. Unternehmen ab 250 Arbeitnehmer:innen und mind. 40 Mio. EUR weltweitem Jahresumsatz, wenn davon mind. 20 Mio. EUR des Umsatzes aus einer Risikotätigkeit stammt (zB Textil, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Lebensmittel, Chemie, Gewinnung mineralischer Ressourcen wie Rohöl, Erdgas, Kohle, Metalle und Erze, etc.).
     
  3. Unternehmen aus einem Drittstaat, wenn sie 3 Jahre ab Inkrafttreten der EU-Lieferkettenrichtlinie in der europäischen Union mehr als 150 Mio. EUR Umsatz erzielen.


Nicht-EU-Unternehmen die in den Anwendungsbereich der EU-Lieferkettenrichtlinie fallen, sollen auf einer Liste durch die europäische Kommission veröffentlicht werden. Anzumerken ist, dass der Finanzsektor bzw. Finanzdienstleistungen zum aktuellen Zeitpunkt vom Anwendungsbereich vorerst gänzlich ausgenommen sind. Die Richtlinie sieht allerdings eine Überprüfungsklausel vor, die eine künftige Einbeziehung möglich macht.

Klimawandel als zentraler Punkt

Anders als ihre nationalen Vorreiter ("Loi de vigilance" und das "Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz"), war es dem europäischen Rat und Parlament ein zentrales Anliegen, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, ihre Unternehmensstrategie im Einklang mit dem Ziel des Pariser Abkommen über den Klimawandel zu bringen um die globale Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Die EU-Lieferkettenrichtlinie verpflichtet demnach betroffene Unternehmen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um einen Übergangsplan zur Minderung der Folgen des Klimawandels aufzustellen und umzusetzen.

Haftung und Sanktionen

Verstößt ein Unternehmen gegen die in der EU-Lieferkettenrichtlinie auferlegten Pflichten, drohen empfindliche Sanktionen (wie etwa Bußgelder) und zivilrechtliche Haftungen gegenüber geschädigten Personen.

Die EU-Lieferkettenrichtlinie sieht Bußgelder in Höhe von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes vor, wobei Mitgliedstaaten im Zuge der nationalen Umsetzung auch höhere Sanktionen festlegen können. Darüber hinaus können nationale Behörden das sogenannte "naming und shaming" anwenden, indem sie die Namen der betroffenen Unternehmen veröffentlichen, die gegen die Richtlinie verstoßen haben.

Anders als beim deutschen "Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz" sieht die EU-Lieferkettenrichtlinie eine direkte zivilrechtliche Haftung der Unternehmen gegenüber Geschädigten vor. Dabei sollen jene Schäden erfasst werden, die vorsätzlich oder fahrlässig durch die Verletzung der Richtlinie verursacht wurden. Liegt ein Schaden vor, können geschädigte Personen innerhalb von fünf Jahren ihre Ansprüche gegenüber Unternehmen, die gegen die Richtlinie verstoßen haben, geltend machen. Sowohl Beweislast als auch das Prozessrisiko sollen allerdings bei den geschädigten Klägern verbleiben.

Ausblick in die Zukunft

Die Veröffentlichung des Entwurfstextes soll im ersten Halbjahr 2024 erfolgen. Da eine Einigung über den Entwurfstext erfolgreich erzielt wurde, muss dieser nun vom Europäischen Parlament und dem Rat gebilligt werden. Dies ist allerdings ein förmlicher Schritt, der erfahrungsgemäß nach einer Einigung im Entwurfstext ohne weitere Änderungen erfolgt.

Mit Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt, tritt sie 20 Tage nach dieser in Kraft. Danach haben die Mitgliedsstaaten die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren national umzusetzen.

Der österreichische Gesetzgeber hat seit dem Antrag im Nationalrat für ein "Lieferkettengesetz für eine soziale, menschrechtskonforme und nachhaltige Produktionsweise" vom 25.03.2021 und trotz zahlreicher Initiativen von Organisationen und Bürger:innen keinen Gesetzesentwurf zu einem nationalen Lieferkettengesetz veröffentlicht.

Spätestens mit der Veröffentlichung EU-Lieferkettenrichtlinie, wird sich sodann auch Österreich intensiv mit dem Thema beschäftigen müssen.

>> Mehr zum Autor Mag. Johannes WOLFGRUBER, MBA
>> HASCH UND PARTNER - Anwalt Linz | Anwaltskanzlei Linz| Anwälte Linz | Rechtsanwalt Linz


Links:
>> Pressemitteilung des Rates vom 14.12.2023
>> Verhandlungsmandat des Rates
>> Ursprünglicher Vorschlag der Kommission