In Kreisläufen denken

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oben v. l.: Christian Mayr (Kunststoff-Cluster, Business Upper Austria), Anne Lamp (traceless materials); unten v. l.: Immo Sander (Werner & Mertz), Thomas Falch (Polytec), Inigo Canalejo (IFCO Systems)
oben v. l.: Christian Mayr (Kunststoff-Cluster, Business Upper Austria), Anne Lamp (traceless materials); unten v. l.: Immo Sander (Werner & Mertz), Thomas Falch (Polytec), Inigo Canalejo (IFCO Systems) © Business Upper Austria

01.12.2022

Wiederverwenden statt wegwerfen lautet aktuell die Devise. Das lineare Wirtschaftssystem hat ausgedient. Wir müssen stattdessen in Kreisläufen denken. Beim virtuellen Treffpunkt Kunststoffrecycling am 23. November drehte sich alles um Cradle2Cradle – ein Prinzip der kontinuierlichen Kreislaufwirtschaft in biologischen oder technischen Kreisläufen. Die Veranstalter Kunststoff- und Cleantech-Cluster freuten sich über ein reges Diskussionsgeschehen unter den mehr als 40 Teilnehmer:innen.

Die Europäische Union gibt ambitionierte Ziele vor: Bis 2030 sollen in der EU alle Kunststoffverpackungen vollständig recycelbar sein und PET-Flaschen mit bis zu 30 Prozent Recyclinganteil hergestellt werden. In der österreichischen und deutschen Kunststofflandschaft finden sich zahlreiche Unternehmen, die diese Kreislaufwirtschaftsziele sehr ehrgeizig verfolgen. Einige von ihnen gaben beim Treffpunkt Kunststoffrecycling Einblicke in ihre Strategien.


Europäisches Rezyklat

Ein Pionier im Bereich Cradle2Cradle bei Verpackungen ist Werner & Mertz, Hersteller von Reinigungs- und Pflegemitteln mit Hauptsitz in Mainz. Ein Werk befindet sich auch in Hallein. Bis 2025 will das Unternehmen 100 % seiner Kunststoffverpackungen auf Post-Consumer-Rezyklate umstellen. Derzeit beträgt der Anteil 58 %. Dabei soll möglichst wenig Food-Grade-Material eingesetzt werden, also Material aus den PET-Flaschensammlungen, das bevorzugt wieder für den direkten Lebensmittelkontakt eingesetzt werden sollte. Das Unternehmen setzt zu 100 % auf mechanisches Recycling, da für chemisches Recycling der Energieeintrag und somit CO2-Ausstoß deutlich höher ist.

„Wir verwenden konsequent nur europäisches Rezyklat und hier nur Post-Consumer-Material“, sagte Immo Sander, Head of Packaging der Werner & Mertz GmbH.

Das Unternehmen produziert seine Verpackungen nach dem Design4Recycling-Prinzip und setzt fast ausschließlich transparentes Material ein, achtet auf Abwaschbarkeit von Etiketten, nachhaltige Druckfarben und minimale Additivierung.

„Nachhaltige Verpackungen sind anfangs tatsächlich teurer“, räumte Sander ein, „aber die Innovationen werden schnell von anderen adaptiert und dann auch bezahlbar.“


120 Leben

Wie das Cradle2Cradle-Prinzip bei Kunststoffboxen für Lebensmittel erfolgreich implementiert werden konnte, berichteten Inigo Canalejo von der IFCO Systems GmbH und Thomas Falch von der Polytec Group in Ebensee. Mehrwegbehälter von IFCO, dem weltweit führenden Anbieter von wiederverwendbaren Verpackungen für frische Lebensmittel, wurden mit der „Cradle to Cradle Certified® Silver-Zertifizierung“ ausgezeichnet und sind bislang die ersten und einzigen wiederverwertbaren Mehrwegbehälter für frische Lebensmittel, die diese anspruchsvollen Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Ein Kriterium für die Zertifizierung war unter anderem der Einsatz von Recyclingmaterial. Um überhaupt genügend Food-Grade-Recyclingmaterial zu bekommen, werden die Behälter selbst wieder mechanisch rezykliert. So gelang es, den Rezyklatanteil zu steigern. Die Boxen werden 70 bis 120 Mal verwendet und viele Jahre eingesetzt. Gefertigt werden die verschiedenfarbigen, großteils aber schwarzen, Klappbehälter aus Polypropylen von der Firma Polytec in Ebensee. Herausforderungen beim Recycling der Kisten sind laut Thomas Falch verschiedenste organische und anorganische Verschmutzungen wie Erde, Reste von Lebensmitteln oder auch Fremdmaterial wie Plastiksackerl, die in den Kisten verbleiben. Auch Fremdkisten aus anderen Materialien seien manchmal problematisch.


Start-up entwickelt nachhaltiges Biomaterial

Über Cradle2Cradle im Sinne einer biologischen Kreislaufwirtschaft sprach Anne Lamp, CEO von traceless materials GmbH. Das Hamburger Start-up traceless materials hat ein ganzheitlich nachhaltiges Biomaterial als Alternative für Kunststoffe und Biokunststoffe entwickelt, das vollständig kompostierbar ist. Ein innovatives Verfahren ermöglicht, aus Nebenprodukten der Agrarindustrie ein thermoplastisches Granulat herzustellen. Dieses wird mit herkömmlichen Kunststoffverarbeitungsmaschinen zu lagerstabilen Folien, festen Materialien oder auch hauchdünnen Beschichtungen weiterverarbeitet. Primär soll das Material für Anwendungen eingesetzt werden, die leicht in die Umwelt gelangen oder nicht recycelt werden können – beispielsweise Food- und Nonfood-Verpackungen. 2026 soll laut Lamp die erste Industrieanlage starten.

Nächster Treffpunkt 2023

„Cradle2Cradle ist ein Konzept, das Unternehmen offenbar zu Höchstleistungen in der Kreislaufwirtschaft motiviert. Der Treffpunkt hat einige der besten Pioniere der Plastics Circular Economy in den Fokus gerückt“, merkte Christian Mayr, Projektmanager im Kunststoff-Cluster, abschließend an und kündigte den nächsten virtuellen Treffpunkt Kunststoffrecycling an: 15. Februar 2023, 14:00-16:00 Uhr!


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